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Wer den Vorhang im Saal 1 des Holi-Kino genau betrachtet, kann einige Hamburger Wahrzeichen erkennen – wie die Landungsbrücken oder den Jungfernstieg. Foto: Alex Povel
Wer den Vorhang im Saal 1 des Holi-Kino genau betrachtet, kann einige Hamburger Wahrzeichen erkennen – wie die Landungsbrücken oder den Jungfernstieg. Foto: Alex Povel
Magazin #29

Eimsbütteler Kinogeschichte

Vom Guckkasten zum Multiplex – eine Reise durch die einstige Kinohochburg Eimsbüttel.

Von Vanessa Leitschuh

Die Geschichte des Eimsbütteler Kinos hält einige Plot-Twists bereit: Nach 1910 wächst der Stadtteil zur Kino-Hochburg. Doch der Krieg zerstört viele Filmpaläste. Sie kehren zurück: In den 1960ern ist Eimsbüttel der Hamburger Stadtteil mit der größten Kinodichte. Bis der Fernseher die Wohnzimmer erobert.

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1895–1925: Die Anfänge des Films

1895: Die ersten eindeutig datierbaren Filmaufnahmen in Deutschland sind in Hamburg entstanden, knapp an der Grenze zu Eimsbüttel: Sie zeigen die Ankunft Kaiser Wilhelms II. am Dammtorbahnhof.

In dieser Zeit erobert der Film die Stadt: Man spricht von „lebenden Photographien” und schaut Filme durch Guckkästen oder Automaten. Sie sind eine Attraktion auf dem Dom und in Varieté-Theatern.

Bald zieht der Film in die Kneipen ein – ein Vorbote des heutigen Kinos: Eine Leinwand spannt sich durch dunkle Räume. Wer auf der falschen Seite der Leinwand sitzt, sieht Film und Text spiegelverkehrt – dafür zahlt er nur die Hälfte.

Um 1910 entwickelt sich Eimsbüttel zur Kino-Hochburg. An vielen Stellen eröffnen kleine Kinos, damals Kintopps genannt. Besonders die Gegend um die Hoheluftchaussee ist für Kinobetreiber attraktiv. Die Arbeiter in den Wohn­vierteln suchen nach Ablenkung vom Arbeits­alltag. Um nicht nur das Arbeitermilieu in die Kinosäle zu locken, werden Lichtspiel-paläste gebaut. Live-Orchester und prunkvolle Gebäude machen das Kino für die Oberklasse attraktiv.

Das größte und kleinste Kino Eimsbüttels

1906: Das „Theater lebender Photo­graphie” zieht in den größten Saal des Belle Alliance Hotels im Eimsbütteler Teil des Schulterblatts. Mit 1.191 Plätzen ist es 1908 Hamburgs größtes Kino. Die Leinwand misst 35 Quadratmeter, ein Zwanzig-Mann-Orchester bespielt das Publikum. Kinopionier James Henschel betreibt das Kino, bevor es 1918 von der Ufa übernommen wird. Im Zweiten Welt­krieg zerstören Bomben das Haus. Das Kino wird danach an anderer Stelle im Bezirk Altona wieder aufgebaut.

Das „Theater lebender Photo­graphie” im Belle Alliance Hotel am Schulterblatt um 1906. Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.

1913: Das kleinste Kino Eimsbüttels öffnet seine Türen: das „Urania-Theater“ im Heußweg. Wegen seiner Größe bekommt es den Spitznamen „Flohkino”. Vor der Leinwand haben 348 Zuschauer Platz, später nur noch 225.

1943 brennt es aus, wird aber schnell wieder aufgebaut. Erst die Konkurrenz im Fernsehen ist das endgültige Aus für das „Flohkino“: 1964 muss es schließen.

Eimsbüttels „Flohkino”: das Urania-Theater im Heußweg. Es heißt, wer drei Schritt weit in den Kinosaal trat, stand schon vor der Leinwand. Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.

Kulisse Hamburg: Hafen und Hagenbeck

Neben dem Hafen ist das Gelände von Hagenbeck ein beliebter Drehort in Hamburg. Bis in die 1920er dient der halbe Park als Filmkulisse für Aufnahmen in fremden Ländern. Die „exotischen” Schau­plätze werden mit Requisiten von Ethnographia-Händlern ausgestattet oder aus der Sammlung des Museums für Völkerkunde in Rotherbaum, dem heutigen MARKK.

Hagenbeck stellt damals neben Tieren auch Men­schen aus. Oft unter falschen Ver­sprech­ungen nach Hamburg gelockt, werden sie in „Völkerschauen“ gezeigt. Diese Shows knüpfen bewusst an rassistische Vorurteile an und verfestigen diskriminierende Stereotype. Die Darstellenden in den „Völkerschauen“ werden auch in Filmen als Statisten eingesetzt.

Ein eigenes Kino

Das Gelände ist nicht nur Kulisse, sondern beherbergt auch das Hagenbeck-Kino, das auf Tier- und Jagdfilme spezialisiert ist. Für den Film „Die Löwenjagd” erlegen die Filmemacher einen altersschwachen Löwen aus dem Tierpark vor der Kamera.

Ausschnitt aus dem Film „Gift im Zoo” von 1952: Er spielt im Frankfurter Zoo, wurde aber im Tierpark Hagenbeck gedreht. Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.

Die „Blumenburg”

Die „Blumenburg” war eines der ersten Kinos in Eimsbüttel. 1909 an der Hoheluftchaussee 115 eröffnet, gibt es zweimal wöchentlich ein neues Programm und jeden Montag und Donnerstag ein Künstlerkonzert. Doch schnell ist Kinobetreiber Hugo Steigerwald klar: 116 Plätze sind zu wenig. So zieht er 1912 an die Hoheluftchaussee 96. Die „Neue Blumenburg” ist geboren, mit knapp 700 Sitzen.

Im Krieg wird das Kino ausgebombt, aber nicht völlig zerstört: 1950 feiert es Wiedereröffnung. Bis 1965, nach 56 Jahren, endgültig Schluss ist: Das Kinosterben macht auch hier nicht Halt. Ein Aldi zieht in die Räume. Heute befindet sich das Sunset Billard darin, einige Details des früheren Kinosaals sind noch zu erkennen.

Foto: Staatsarchiv Hamburg Foto Horst Janke 720-1_343-1_00073455

1926–1949: Von großen Filmpalästen in die Notkinos

1926: Das „Capitol“ in der Hoheluft­chaussee eröffnet. Es ist bis dahin mit 1.258 Plätzen das größte Kino in Eimsbüttel. Jedenfalls bis der „Emelka-Palast“ zwei Jahre später in der Osterstraße 124 seine Türen öffnet. Für 1.550 Besucher hat das Großkino Platz.

Das „Emelka“ ist der erste echte Kinobau in Deutschland. Bisher waren Lichtspielhäuser wie Theater gebaut: mit Logen und Guckkastenbühne. Entworfen hat das Gebäude Architekt Karl Schneider. Der Saal ist elliptisch statt rechteckig – eine architektonische Sensation. Bei der Premiere ist der Andrang auf das neue Kino so groß, dass die Polizei den Verkehr regeln muss. Die Ticketpreise sind für damalige Verhältnisse teuer: 80 Pfennig kostet der billigste Platz in der ersten Reihe, 2 Mark die besten Plätze. Das Kino erhält den Spitznamen „Palazzo Prozzo”.

Der Emelka-Palast in der Osterstraße 95 im Jahr 1955. Der Film „Nacht der Entscheidung“ wird über dem Eingang beworben. Foto: Staatsarchiv Hamburg / Horst Janke 720-1_343-1_00073426

1930er: Töne für den Stummfilm, Kino für die Massen, Paläste für die Filme – in den Dreißigern verändert sich die Technik, Kinobesuche erreichen Rekordzahlen und Konzerne wie Ufa und Henschel eröffnen prunkvolle Kinosäle.

Auch wird der Film zunehmend politisch und für Propaganda genutzt. Die Reichsfilmkammer der NS-Regier­ung regelt die deutsche Filmwirtschaft nach den Vorstellungen der Nazis. Wer ein Kino betreiben will, muss Mitglied in der Kammer sein. Juden und Ausländern ist die Mitgliedschaft untersagt, was einem Berufsverbot gleichkommt.

Trümmer und Traumwelten

Im Krieg werden viele Kinos zerstört. Kinobetreiber reparieren notdürftig oder richten Behelfskinos ein. Menschen versammeln sich in Turnhallen und Schulaulen, um Filme zu sehen.

Das Central-Theater in der Eimsbütteler Chaussee um 1943. Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.

Das Behelfskino Belle (Max-Brauer-Allee 283) eröffnet 1947 gegenüber dem früheren Belle-Alliance-Theater (Schulterblatt 115). Das Belle-Alliance-Theater wurde 1943 zerstört. Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.

1946 läuft die Hamburger Film­produktion langsam wieder an. Sie unterliegt der Kontrolle und Zensur der britischen Besatzungsmacht.

In der FilmSection in der Rothenbaum­chaussee 67 werden Filme aus der NS-Zeit überprüft und teilweise verboten. Ausgewählte „entnazifizierte” Deutsche bekommen eine Lizenz zur Produktion von Filmen. Auch die Vorführung bedarf einer Erlaubnis durch die Besatzer. Da es aber nur wenige Personen gibt, die nicht in NS-Organisationen waren, wird auch vielen „passiven” ehemaligen Mitgliedern eine Lizenz erteilt. Bald wird Hamburg das Zentrum westdeutscher Filmproduktion.

Das Kursaal am Schulterblatt 115 (heute Eimsbütteler Chaussee 5) in den 1950ern. Nach Schließung des Kinos 1961 zog das Tanzlokal „Kaiserkeller“ ein. Später, von 1978 bis 1986, tanzte man dort in der Disko „Trinity“. Seit 1993 ist ein Show- und Gastronomietheater in den Räumen, das seit 2000 als „Delphi Showpalast“ betrieben wird. Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.

1950–1965: Vom Boom zum Fall

Mit dem Wirtschaftswunder boomt die Kinoindustrie. Auf dem Höhepunkt, Anfang der 1960er, ist Eimsbüttel mit neun Filmtheatern der Hamburger Stadtteil mit der größten Kinodichte.

Doch als das Fernsehen in die deutschen Haushalte einzieht, droht vielen Lichtspielhäusern Dunkelheit. Das Kinosterben setzt ein. Auch in Eimsbüttel schließt ein Kino nach dem anderen.

Das Urania im Heussweg nach dem Krieg. Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.

Das Urania wurde wegen seiner Größe auch Flohkino genannt. Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.


Grindel-Filmtheater

1959 eröffnet das „Grindel-Filmtheater“ mit einem großen Saal und 1.885 Plätzen. Zunächst ist es ein freistehendes Gebäude am Grindelberg 7a. Später entstanden davor Bürogebäude. 1975 übernimmt die Ufa das Kino. Das alte Foyer mit Kassenhäuschen und Süßwarenstand wird verkleinert, damit zwei weitere Kinosäle Platz finden. Im Vorführraum stehen sechs Projektoren für diverse Breitwandverfahren.

Nach fast 50 Jahren muss das Traditionskino 2008 schließen. Der Verein „Rettet das Grindel“ sammelte fast 14.000 Unterschriften. „Wenn die alle nur ein Mal im Monat ins Kino gegangen wären, hätte das eher etwas gebracht“, sagte der damalige Betreiber daraufhin in der Welt.

Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.

Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.

Das alte Foyer mit Kassenhäuschen und Süßwarenstand. Foyer Foto: Staatsarchiv Hamburg Horst Janke 720-1_343-1_00073383

Das Foyer des Grindel-Filmtheater kurz vor seiner Schließung 2008. Foto: Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.


1967–1989: Das andere Kino

Ende der 1960er wird Hamburg zur Stadt des unabhängigen Films. Filmschaffende schließen sich 1967 zur Initiative „Das Andere Kino” zusammen.

1970: Das erste Programmkino Deutschlands eröffnet: das Abaton im Grindelviertel. Werner Grassmann und Wilfried Fedder bauen eine Garage um und tragen aus anderen Kinos die Technik und Einrichtung zusammen.

Ende der 1970er entsteht das „Blimp“ in der Müggenkampstraße 63 in einer früheren Autowerkstatt. Schon 1985 schließt es wieder.

Das Holi wird in den 1980ern vom Cineplexx-Konzern übernommen. Es ist heute das älteste Kino Eimsbüttels.

1990–2022: Kino der Gegenwart

1994: Der Ufa-Palast am Grindel wird umgebaut. Damit beginnt in Hamburg die Zeit der Multiplexe. In kurzer Zeit eröffnen stadtweit sechs Großkinos von Ufa, CinemaxX und UCI.

2006 eröffnet der Filmraum in der Müggenkampstraße. Das kleine Programmkino von Behzad Safari bietet Platz für 40 Personen.

2019: Der Filmraum startet das jährliche Sommer-OpenAirKino im Stadtpark Eimsbüttel.

Heute bestehen drei Kinos im Bezirk: der Filmraum in Eimsbüttel, das Abaton in Rotherbaum, das Holi in Harvestehude.

Mitarbeit: Valentin Hillinger


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