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Ein Schild in der Hoheluftchaussee weist auf das Motel hin. Foto: Rainer Wiemers
Die Leuchtreklame in der Hoheluftchaussee kennen wohl alle Eimsbüttelerinnen und Eimsbütteler. Foto: Rainer Wiemers
Magazin #32

Zeitreise ins erste Motel Hamburgs

Die Leuchtreklame in der Hoheluft­chaussee weist den Weg zu einem versteckten Motel im Hinterhof. Gäste werden dort in die 50er Jahre zurückversetzt.

Von Julia Haas

Viele Garagen im Motel stehen leer. Nicht, weil keine Gäste hier wohnen, das Motel in der Hoheluftchaussee ist gut besucht. Sondern weil sie zu klein sind für die SUV und Limousinen, die im Hof parken. Die Garagen wurden in den 50er Jahren gebaut – für einen VW-Käfer oder für Zweisitzer wie die Isetta.

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Zurück in die 50er

Die 50er Jahre markieren den Aufbruch in eine neue Welt. Eine Welt ohne Krieg und Trümmer, mit Petticoat und Nierentisch. Für viele kommt die Freiheit der Nachkriegsjahre auf vier Rädern. 1950 rollt der hunderttausendste Käfer vom Band. Opel setzt auf Chrom, Mercedes auf die Limousine. Der Verbrenner zieht in den Alltag ein. In Amerika hat sich das „Autocamping“ etabliert. 1924 entsteht das erste Motel an der kalifornischen Route 101 und ermöglicht Reisenden, das Auto vor dem Hotelzimmer abzustellen.

Ein Hamburger findet daran Gefallen. Zurück an der Elbe errichtet er für seine Frau ein Motel – das erste in Hamburg, anders als seine amerikanischen Vorbilder mitten in der Stadt. Der Hamburger Architekt Herbert Schmedje entwirft das Gebäude. Vorne an der Straße markieren eine Tankstelle und eine Werkstatt die Einfahrt, hinten werden die Gästezimmer über die Garagen ihrer Autos gebaut. Die Schwingtore strahlen wie rote-weiße Zirkuszelte. 1959 eröffnet das Motel.

Wenige Jahre später verstirbt der Erbauer. Seine Frau übernimmt die Geschäftsführung, später verpachtet sie es. 1990 kaufen die heutigen Betreiber das Motel.

Heute

Die Welt hat sich in der Zwischenzeit weitergedreht: Petticoats werden auf Mottopartys getragen, Nierentische auf Flohmärkten verschachert. Und während die einen fordern, Autos aus der Stadt zu verbannen, suchen die anderen vergebens nach einem Parkplatz.
Das Motel wirkt dabei wie eine Zeitkapsel. Seit den 50ern kaum verändert, und dennoch stets gut besucht, eine Anlaufstelle für Reisende aus ganz Deutschland und Europa. Wie funktioniert das? Ein Besuch.

Wind rauscht durch die Baumkronen, Vögel zwitschern, ein Brunnen plätschert. Sonst nichts. Vor einem der rot-weiß lackierten Garagentore steht ein Reinigungswagen. Weiße Laken und Bezüge stapeln sich akkurat gefaltet darauf. Eine Frau in weißer Bluse und roter Weste huscht durch eine Glastür neben der Garage, schnappt sich einen Satz Bettwäsche und verschwindet. 35 Zimmer gilt es aufzufrischen oder bezugsfertig zu machen.

Um eine grüne Insel im Innenhof – mit Bäumen, die das Motel überragen – reihen sich Kombis, Vans und Geländewagen. Sie kommen aus Hamburg, Niedersachsen, Schweden, der Schweiz.
Zwei Männer schieben einen mit Bierkisten beladenen Einkaufswagen vorbei, parken ihn vor ihrer Garage und räumen die Getränke ins Auto. Vorne an der Hoheluftchaussee, wo neben der Einfahrt früher eine Tankstelle war, sitzt heute ein Getränkemarkt. Ein Angestellter des Motels schmunzelt: „Unsere skandinavischen Gäste decken sich dort gerne ein.“

Alles wie immer

Von oben betrachtet wirkt das Motel wie ein Puppenhaus im Retrostil. Ein weißes Schild mit geschwungener roter Schrift markiert die Einfahrt. Zwischen den Garagen führen Treppen hoch zu den Zimmern. Es riecht alt – nicht modrig. Wie bei Großeltern zu Hause, wo sich Jahrzehnte voller Leben in Wänden, Böden und Möbeln stauen. Fotos, Werbegrafiken und Gemälde schmücken die Flure. Ein Sammelsurium verschiedenster Vintage-Plakate, sie wollen nicht alt wirken, sind es aber. Ein kurzer Blick in ein Einzelzimmer: Teppichboden, geblümte Gardinen, Eichenmöbel.

Früher einmal rot-weiß strahlend wie Zirkuszelte, heute eher pastellfarben: Die Garagentore, über denen sich die Zimmer befinden. Foto: Rainer Wiemers

Die Rezeption im Motel ist mit Holz verkleidet. Foto: Rainer Wiemers

Blumenvorhänge und Vintage-Poster: Auch von innen erinnert das Motel an die 50er Jahre. Foto: Rainer Wiemers

Die Toiletten und Duschen sind von den Fluren in die Zimmer gewandert. Außer kleinen Renovierungen ist sonst alles wie früher, sagt Marion Grimm. Sie ist 74 Jahre und seit über 30 Jahren Geschäftsführerin im Motel.

Das Motel ist ein Relikt der Vergangenheit: Es dokumentiert als Nachkriegsbau die Wirtschaftswunderzeit und steht seit 2008 unter Denkmalschutz. „Wir sind sicher“, sagt Grimm. Sicher vor Immobilienhaien, die dichter und höher bauen, als es das Motel ist. Und doch birgt der Schutz Probleme, weil Fenster nicht ausgetauscht, Garagen nicht vergrößert werden können.

Nostalgikern ist das egal. Vor Corona haben sich regelmäßig Oldtimer-Besitzer im Motel getroffen. Ihre Fahrzeuge passten perfekt in die 50er-Jahre-Kulisse – und in die für heutige Autos zu kleinen Garagen. Inzwischen kommen viele ohne Auto. Es geht um das Erlebnis, die Reise in die Vergangenheit. „Ein besonderer Charme“ oder „eine Zeitreise“, schreiben Besucher online. Eine ehemalige Besucherin erzählt: „Direkt neben einer Hauptstraße fanden wir eine Oase der Ruhe, wie in einer anderen Welt oder mitten in einem amerikanischen Film aus den 70ern.“

Parkplätze vorhanden

Aber nicht alle verzichten auf das Auto. Seit den 90ern buchen sich Handwerker mit ihren Transportern im Motel ein – damals für 20 Mark das Zimmer mit Garage. Die Preise sind gestiegen, die Transporter gewachsen und meist zu groß für die Garagen, trotzdem ist das Motel für Handwerker weiterhin eine feste Anlaufstelle, immerhin bietet der Innenhof Parkplätze im dicht bebauten Hoheluft-West.

Ein Platzregen füllt den Hof mit Pfützen. Die Männer, die eben noch ihren Wagen mit Bierkisten beladen haben, sprinten zur Rezeption. Sofort dreht sich der Kopf des Portiers vom Computer zu den Gästen. Einen Regenschirm? Kein Problem.

24 Stunden ist die Rezeption besetzt. Vor allem, weil statt Keycards Schlüssel mit klobigen Anhängern die Zimmertüren öffnen. „Den möchte man nicht überall mit hinschleppen“, sagt der Rezeptionist.

Die Besucher

Manche sind erstmal überrascht, wenn sie das Motel betreten, sagt der Rezeptionist und grinst. Ob es überhaupt fließendes Wasser, Fernseher oder Wlan gebe, fragen sie dann. „Es ist eben anders. Besonders.“

Die meisten Gäste kommen aber aus einem anderen, oft weniger freudigen Anlass: Angehörige, die Patienten im UKE besuchen. Wenn das Apartmenthaus am Krankenhaus belegt oder das Hotel Dorint in Eppendorf zu teuer ist, mieten sich die Besucher ins Motel ein. Das ist nicht immer einfach, weiß der Rezeptionist. Etwa wenn die Krankenbesuche einen Verlust bedeuten. „Dann sind wir nicht nur Rezeptionist, sondern auch Laien-Psychologe“, sagt der Mann am Empfang.

Mehr zu sein als eine Unterkunft, das hat sich in den letzten Jahrzehnten bewährt. Während Corona blieben die Krankenbesucher nicht aus. „Das hat uns durch die Pandemie gebracht.“
Als der kurze Sommerschauer vorbei ist, bringt der Gast den geliehenen Regenschirm zurück. Wenn er noch etwas benötigt, könne er jederzeit kommen, sagt der Rezeptionist. „Hier sitzt immer jemand.“

Das Motel wurde in den 50er Jahren gebaut. Foto: Rainer Wiemers

Im Frühstsücksraum werden die Gäste in ein anderes Jahrzehnt zurückversetzt. Foto: Rainer Wiemers


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