
Letzte Generation – (K)eine Zukunft
Die Letzte Generation klebt sich auf Straßen und blockiert Flughäfen. Eine 17-Jährige erzählt, warum sie keinen anderen Ausweg sieht.
Von Julia HaasWie steht es um Eimsbüttel im Jahr 2050? Schlecht, befürchtet Laura Bischoff. „Wir werden die Folgen des Klimawandels deutlich spüren.” Mehr Naturkatastrophen, größere Ernteausfälle – überall. Vor einem Jahr hat sich die 17-jährige Schülerin der Letzten Generation angeschlossen – einer Gruppe von Klimaaktivisten, die sich auf Straßen klebt und Flughäfen blockiert, um zu verhindern, dass sich der Name der Gruppe prophezeit.
Eimsbütteler Nachrichten: Hast du dich vor deinem Beitritt zur Letzten Generation mit Klimawandel und -protest auseinandergesetzt?
Laura Bischoff: Ich beschäftige mich seit Langem damit, früher war ich bei Fridays for Future aktiv. Es ist schrecklich, man kann das nicht übersehen und es wundert mich, dass das manche noch schaffen. In den Nachrichten sieht man brennende Regenwälder und sterbende Korallenriffe. Ich finde es unglaublich tragisch, dass ich einfach nichts machen kann. Wer sich diese Katastrophe klar macht, hört auf, über andere Kleinigkeiten nachzudenken. Wir müssen ins Handeln kommen. Wenn dafür ein paar Menschen im Stau stehen, ist das blöd. Aber wenn es weitergeht wie jetzt, werden unfassbar schlimme Dinge passieren.
Wenn ihr Straßen blockiert, trifft das einzelne Personen, die dadurch zum Beispiel zu spät zur Arbeit kommen.
Uns wird oft vorgeworfen, unsere Aktionen richten sich gegen die Falschen – das stimmt. Das Problem ist, wenn sie sich gegen die richtigen Menschen richten, hört das niemand. Es gab viele Aktionen gegen Superreiche, zum Beispiel als auf Sylt ein Privatjet angesprüht wurde. So etwas erregt weniger Aufmerksamkeit, weil es weniger betrifft, gleichzeitig müssen wir mit größeren Konsequenzen wie hohen Schadensersatzzahlungen rechnen.
Viele wissen, dass wir etwas gegen den Klimawandel tun müssen, sagen aber, dass die Letzte Generation nicht den richtigen Weg wählt. Theoretisch stimme ich zu. Es tut mir leid, dass wir viele Menschen nerven. Aber ich glaube, es gibt aktuell keinen besseren Weg, um genauso viel Aufmerksamkeit zu bekommen.
Als ihr im Sommer den Hamburger Flughafen lahmgelegt habt, gab es viel Aufmerksamkeit für die Aktion. Viele Betroffene waren verärgert und haben wahrscheinlich nicht ans Klima gedacht.
Ich verstehe, dass sich viele ärgern und weniger an unsere Motivation denken. Allerdings gehört das bei Aktivismus manchmal dazu. Menschen verärgern, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Viele verdrängen das Klimaproblem, weil es sehr komplex ist und jeder mit eigenen Problemen in seinem Alltag steckt. Deswegen sagen wir, die Politik muss handeln, nicht die einzelne Person. Wir fordern, bis 2030 aus fossilen Brennstoffen auszusteigen. Sobald es dazu einen ernst gemeinten Plan gibt, sind wir weg von der Straße.
Aber wir sind noch da – und das verstehe ich nicht. Manche diskutieren über unsere Forderung, als wäre sie unmöglich. Dabei sollte sie selbstverständlich sein. Das Klimaproblem ist schon lange bekannt, die Tatsache, dass es keinen Plan dafür gibt, ist unfassbar.
„Von der Bushaltestelle bekommen wir viel Zuspruch, von der Tankstelle Hass“
Laura Bischoff
Bei euren Straßenblockaden werdet ihr teilweise angeschrien, getreten und beworfen.
Das ist kein Spaß für uns, wie manche Medien behaupten. Wir haben einen Grund, in vielen Berichten geht das unter.
Aber die Reaktionen sind unterschiedlich. In der ersten Minute ist es vor allem Hass. Es steigen nur die wirklich Wütenden aus dem Auto, schreien uns an oder werden gewalttätig. Nach ungefähr zwei Minuten beruhigt sich das, weil wir uns nicht wehren. Es gibt auch Menschen, die uns etwas Nettes zurufen oder Kaffee bringen. Bei manchen Blockaden setzen sie sich dazu. Der Support kommt vor allem von Fußgängern und Radfahrerinnen. Am Dammtorbahnhof zeigt sich diese Zweiseitigkeit. Auf der einen Seite ist die Tankstelle, auf der anderen Seite die Bushaltestelle – von der Haltestelle bekommen wir viel Zuspruch, von der Tankstelle mega viel Hass.
Du warst bisher bei ungefähr zehn Aktionen dabei. War es für dich schon mal gefährlich?
Für mich weniger. Wahrscheinlich, weil ich sehr jung und weiblich bin. Die mittelalten Männer neben mir kriegen mehr ab. Getreten wurde ich aber auch schon. Einmal hat jemand eine Zigarette nach mir geworfen. Aber wir bereiten uns vor mit Protesttrainings. Ein super wichtiger Teil ist zu lernen, dass die Letzte Generation gewaltfrei handelt. Das bedeutet, wenn dich jemand anschreit, darfst du nicht die Nerven verlieren und zurückschreien. Wir bleiben ruhig. Beim Training lernen wir, unseren Kopf zu schützen, wenn andere nach uns treten, oder in welche Körperhaltung man sich am besten begibt, wenn man weggezerrt wird. Wichtig ist auch, wie wir uns gegenüber der Polizei verhalten: Wir sind respektvoll, aber machen nicht einfach, was die Beamten uns sagen. Wir sind im Protest.
Angenommen, ihr habt euch auf die Straße geklebt und ein Rettungswagen muss durch. Was macht ihr?
Bei jeder Straßenblockade gibt es eine sogenannte Bienenkönigin, das ist in der Regel die Person mit der meisten Erfahrung. Sie organisiert, wer wo sitzt. Wir haben immer zwei Personen, die nicht kleben und nebeneinander sitzen. Im Notfall stehen sie auf und lassen die ersten Autos durch, sodass der Rettungswagen durchkommt.
Die Letzte Generation
Im Herbst 2022 ist Laura der Letzten Generation beigetreten. Seitdem hat sie an etwa zehn Aktionen der Gruppe teilgenommen. Neben Straßenblockaden war sie beteiligt, als die Klimaaktivisten das Grundgesetz-Denkmal nahe des Bundestags mit roter Farbe und Handabdrücken beschmierten. In einem Video auf der Plattform Twitter sagte sie damals: „Ich bin hier, weil unsere Bundesregierung jeden Tag das Grundgesetz missachtet. Damit zerstört sie meine Zukunft und treibt uns aktiv in den Klimakollaps hinein.“
Die Letzte Generation ist ein Zusammenschluss von Klimaaktivisten, die für Straßenblockaden in ganz Deutschland bekannt sind. Auch in der Fruchtallee und am Dammtorbahnhof fanden bereits Aktionen statt. Im Juli klebten sich Aktivisten auf das Rollfeld des Hamburger Flughafens und blockierten für mehrere Stunden den Flugbetrieb.
Wie reagiert dein Umfeld darauf, dass du bei der Letzten Generation bist?
Viele meiner Freundinnen und Freunde unterstützen das. Manche sagen, sie wollen eine bessere Aktionsform finden. Was ich schade finde: Die Zeiten für perfekten Aktionismus sind vorbei. Meine Eltern waren am Anfang nicht begeistert – eigentlich noch immer nicht. Weil sie sich Sorgen machen, dass mir etwas passiert. Aber sie wissen, wie wichtig mir das ist und verstehen meine Argumente.
Wie nimmst du die Stimmung in Eimsbüttel wahr?
Ich glaube, viele haben verstanden, was der Klimawandel bedeutet, und wollen etwas dagegen tun. Sie unterstützen aber nicht, was die Letzte Generation macht. Wenn ich nach besseren Lösungen frage, heißt es oft, sie hätten sich noch nicht näher damit beschäftigt.
Ich habe mich damit beschäftigt. Man kann umweltbewusst leben, weniger Plastik verbrauchen, Bio essen und sich vegan oder vegetarisch ernähren. Wenn das eine Person macht, bringt das nicht viel. Als Individuum lässt sich das Problem nicht lösen. Wir müssen viele Menschen zusammenbringen, um etwas zu verändern.
Was hoffst du, wie es weitergeht?
Ich hoffe, dass mehr Menschen aufwachen und sehen, wie falsch es gerade läuft. Dass sie nicht weiter wegschauen, sondern aktiv werden – bei der Letzten Generation oder auch Fridays for Future. Dann sind wir so viele, dass die Politik reagieren muss. Und vielleicht entsteht dadurch ein Plan wie das Pariser Klimaabkommen. Nur dass sich dieses Mal alle daran halten.
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