Nur Mut: Mutmacher aus Eimsbüttel
Vieles läuft gerade nicht so gut. Gelinde gesagt. Doch es gibt auch Dinge, die Hoffnung machen. Die Geschichten von „mutwilligen” Eimsbüttelern, die sich der Pandemie entgegenstellen. Die denen etwas zurückgeben, denen Corona viel genommen hat. Unsere Mutmacher aus dem Stadtteil. Eine Auswahl
Von Alana TongersHelfende Wände
Wie möglichst nah helfen, wenn Abstand und Distanz oberstes Gebot sind? Im März 2020 initiieren Henry Lührs und seine Mitbewohner einen Gabenzaun am Kaifu-Ufer. Hier konnten Eimsbütteler in den Anfängen des Lockdowns Lebensmittel, Klamotten und Masken für Obdachlose aufhängen.
Mittlerweile ist der Gabenzaun zwar geschlossen, doch auch an anderer Stelle im Stadtteil hilft man sich nach ähnlichem Prinzip: An der Spendenwand in der Methfesselstraße können Eimsbütteler zum Beispiel Lebensmittel mit ihren bedürftigen Nachbarn teilen.
Gegen den Corona-Blues
Besuchsverbot, Abstand, Maske: Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen belastet der Shutdown besonders. Mit der „Klangvisite” wollen die Clubkinder den Trübsinn mit wippenden Füßen und nickenden Köpfen vertreiben: Seit April organisiert der Verein Konzerte mit Abstand in den Einrichtungen. Das kommt nicht nur den Senioren zugute, sondern auch den auftretenden Künstlern: Sie bekommen für die Auftritte eine Gage und können so ausfallende Konzerte kompensieren.
Auch das Duo Klangstaub zieht im Sommer mit ihrer Aktion „berührungslos berühren” durch Eimsbütteler Krankenhäuser und Seniorenresidenzen. Mit Gitarre, Mikrofon und mobiler Verstärkeranlage machen sie Innenhöfe kurzerhand zur Open-Air-Venue. Und obwohl die Zuschauer nicht vor der Bühne, sondern auf Balkonen stehen – für einen kurzen Moment ist die Pandemie vergessen.
Laut fürs Logo
Seit 46 Jahren ist das Logo Eimsbüttels lauteste Bühne – doch seit Beginn der Pandemie ist es still um den Club geworden. Nach Monaten ohne Einnahmen rückte das Ende der Institution bedrohlich nahe. Das wollten die Mitarbeitenden des Logo nicht so einfach hinnehmen. Kurzerhand starteten sie eine Spendenkampagne, an der sich Fans und Bands aus Hamburg, Deutschland und der ganzen Welt beteiligen. Über 65.000 Euro haben sie so bis heute gesammelt. Der Einsatz hat sich gelohnt: Durch die Spenden und staatliche Hilfsgelder ist „Hamburgs lauteste Sauna” bis Sommer dieses Jahres erstmal gerettet.
Liebe in Tüten
Im Schrödingers wurde im letzten Jahr nur an wenigen Tagen getanzt, getrunken und gefeiert. Die übriggebliebene Energie wusste das Kulturhaus in der Schröderstiftstraße sinnvoll einzusetzen. Mit Beginn des ersten Shutdowns startete das Schrödingers die nach eigenen Angaben größte Lebensmittelsausgabe Hamburgs. Jeden Montag können Bedürftige sich hier „Liebe in Tüten” abholen. Und das ganz Corona-konform: Eine „Wartestraße” stellt sicher, dass Mindestabstände eingehalten werden, und die Tüten werden kontaktlos von freiwilligen Helfern übergeben.
Als im zweiten Lockdown in Hamburg dann Minusgrade herrschten, baute das Schrödingers ein Zeltlager für Obdachlose auf. Der Suche nach warmen Decken und Zelten folgte eine Welle der Solidarität: Zahlreiche Spenden halfen, das Lager auszustatten.
Seife schieben für Bedürftige
Die Pandemie und ihre Auswirkungen treffen alle – aber einige mehr als andere. „Gerade in Krisensituationen geraten die sozial Benachteiligten noch weiter in Schieflage”, meint Karsten-Wolfgang Kurth vom Hamburger Seifenkontor. Gemeinsam mit dem Verein „Zwischenstopp Straße” hat er deswegen in seinem Eimsbütteler Laden die Aktion „Seife schieben” ins Leben gerufen. Inspiriert ist die Idee von Wiener Kaffeehäusern, in denen man Kaffee schieben kann: Drei Tassen werden bezahlt, zwei getrunken – das Geld für die dritte wird gespendet.
Ganz ähnlich funktioniert es im Seifenkontor. Wer hier Seifen kauft, kann eine beliebige Menge „schieben” – die Seifen werden dann von „Zwischenstopp Straße” an Obdachlose verteilt. Zusätzlich gibt es eine Charity-Seife, deren Erlös vollständig an den Verein geht. Mit der Aktion möchte Kurth für Aufmerksamkeit sorgen: „Es gibt immer Menschen, denen es deutlich schlechter geht als einem selbst. Und auch wer nur wenig hat, kann anderen helfen.”
Solidarische Kuchenschlacht
Erst zu, dann auf, jetzt wieder geschlossen: Restaurants und Bars befinden sich mittlerweile im siebten Lockdown-Monat. Darunter leiden nicht nur die, die gutes Essen und geselliges Miteinander lieben. Sondern vor allem die, deren Lebensunterhalt die Gastronomie sichert.
Um ihren Minijobbern durch die Krise zu helfen, hat sich die Eimsbütteler Kneipe Urknall deswegen etwas Besonderes überlegt: Im Februar riefen sie zum solidarischen Backen auf. Kaffee, Torten und Kuchen wurden am Valentinstagswochenende Corona-gerecht und zu fairen Preisen vor dem Urknall verkauft. Der Erlös ging an die Minijobber und jene Teammitglieder, die besonders von der Pandemie betroffen sind.
Spatz an der Wand – Spende im Sack
Was haben Spatzen und Solidarität gemeinsam? Eine Menge – zumindest wenn sie von René Scheer gesprüht wurden. Mit seinen Spatzen-Stencils unterstützte der Künstler im letzten Jahr zahlreiche Eimsbütteler Organisationen, an denen die Pandemie nicht spurlos vorbeigegangen war – darunter zum Beispiel das Urknall oder das Tattoostudio Fräulein Tinte.
Auf das Projekt kommt der Altonaer Künstler, als jemand eines seiner Spatzenbilder kaufen will. Scheer macht einen Gegenvorschlag: „Du spendest das Geld und bekommst den Spatz gratis dazu.” Am Ende sprühte Scheer rund hundert Vögelchen für den guten Zweck – für alle, die eine von ihm vorgeschlagene Einrichtung mit 35 Euro oder mehr unterstützen. Die Aktion hat bei ihm übrigens im wahrsten Sinne des Wortes Spuren hinterlassen: Seit letztem Jahr schmückt ein von Fräulein Tinte tätowierter Spatz seine Wade.
#fairwertsteuer
Ein Kapitel der deutschen Shutdown-Geschichte: die Senkung der Mehrwertsteuer. Dass sich damit nicht nur sparen, sondern auch Gutes tun ließ, bewiesen die Weltläden mit ihrer Aktion „#fairwertsteuer”. Die zusätzlichen Gewinne aus der Steuersenkung gingen dabei an Soforthilfefonds, die wiederum von der Pandemie betroffenen Handelspartnern in Asien, Afrika und Südamerika zugute kommen. „Wir haben es unseren Kunden und ehrenamtlichen Mitarbeitern zu verdanken, dass wir 4.100 Euro weitergeben konnten”, so Christiane Baum vom Weltladen in der Osterstraße.