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Holger Artus ist Eimsbütteler des Monats. Foto: Julia Haas
Holger Artus ist Eimsbütteler des Monats. Foto: Julia Haas
Magazin #32

Eimsbütteler gibt Vergessenen eine Stimme

Viele ihrer Geschichten wären vergessen, würde Holger Artus nicht nach ihnen suchen. Der Eimsbütteler erinnert an Nachbarn, die Opfer des NS-Regimes wurden.

Von Julia Haas

Es gibt Menschen, die reden am liebsten über sich selbst. Nicht Holger Artus. Er spricht über die, die es nicht mehr können. Über die, die vergessen werden – oder es schon sind.

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Er spricht über die ­jüdische Familie, deren Laden in der Eims­bütteler Chaussee zerstört wurde, über sowjetische Zwangsarbeiter in der Bellealliancestraße, über Deportierte, Verfolgte und Getötete aus der Nachbarschaft.

An Vergessenes erinnern

Vor der Villa im Park sitzt Holger Artus unter einem Sonnenschirm, der an diesem Tag vielmehr als Regenschutz dient. Als ein Handy klingelt, dreht er sofort sein Smart­phone um. Das Klingeln kommt vom Nachbartisch, aber auf seinem Bildschirm ist eine Mail aufgeploppt. Schnell rückt er seine Brille zurecht und scannt die Benachrichtigung. Änderungen bei einer Kundgebung, sagt er vertieft.

Der Eimsbütteler Holger Artus erinnert mit Flugblättern, Kund­gebungen und Online-Blogs an Hamburger, deren Leben das NS-Regime für immer auszuradieren versuchte.

Sein Berufsleben widmete Artus den Interessen anderer. Als Betriebs­ratsvorsitzender bei der Mopo und Bundesvorstand bei Ver.di gab er denen eine Stimme, die in der Summe vielleicht laut, alleine aber kaum hörbar waren. „Ich kann niemanden mit seinen Problemen allein ­lassen.“ Eine Haltung, die auch seine Erinnerungsarbeit antreibt.

Verstummten eine Stimme geben

2019, als er in Rente ging, begann der heute 68-Jährige zu wühlen. Nach Menschen und ihren Geschichten, die nie aufgeschrieben wurden. Er will denen eine Stimme geben, die längst verstummt sind.

Vor einigen Jahren ruft Artus ­seine Nachbarn im Weidenviertel dazu auf, gemeinsam Stolpersteine zu putzen. Schnell wird er durch Aktionen wie diese zum Bindeglied zwischen Gegenwart und NS-Vergangenheit. Ein Nachbar erzählt ihm von einer jüdischen Familie in der Marthastraße, ein anderer von einer Rüstungsfabrik in der Weidenallee.

Wenn Artus davon erzählt, klingt es, als wäre er ein Ball, den die Erzählungen wie selbstverständlich ins Rollen bringen. Er bewegt sich ins Staatsarchiv, in die Geschichtswerkstatt, zu An­gehörigen, auf Online-Plattformen, um die Informationsfetzen zu ergründen. Manchmal braucht er mehrere Jahre, um sie in ein vollständiges Bild mit Rahmen zu setzen.

Tiefe schaffen

Sein Anliegen ist es, so ­lange zu ­suchen, bis die Geschichten stimmig sind – in sich selbst und im his­torischen Kontext. „Eine einzelne Geschichte führt zu Anteilnahme“, sagt er, „um die Vergangenheit zu verstehen, müssen wir aber die Struktur kennen.“

An vielen Stellen fehle diese, die Forschung habe aufgehört, sich zu interessieren. Vor allem, wenn es um vergessene Gruppen wie Roma und Sinti, Deportierte, italienische Militärinternierte und sowjetische Zwangsarbeiter geht. Die Daten dazu findet Artus oberflächlich. Er will das ändern und Tiefe schaffen.

Aufgeben ist keine Option

Artus lässt seinen Zeigefinger über den Tisch hüpfen und ­zeichnet symbolisch den Weg einer de­portierten Sinteza nach. Neben ­seiner Kaffeetasse stoppt er, dort verliert sich die Spur. Nicht jede Geschichte lasse sich aufklären, sagt er. Manchmal bleibt der Flickenteppich löchrig oder neue Informationen lassen alte Nähte aufplatzen.

In seinem Betriebsratsbüro hatte er einen Ordner, in dem er Anliegen ­sammelte, die er nicht direkt lösen konnte, später aber noch einmal an­gehen wollte. Andere aufzugeben und zu vergessen, ist für Holger Artus ­keine Option.

Holger Artus: „Noch viel zu tun“

Seit einigen Jahren treibt er damit auch die Stolperstein-Verlegung in Hamburg voran. Er verteilt In­formationen und Lebensgeschichten von NS-Opfern an Menschen in den Straßen, in denen sie einst lebten. Und findet so Anwohner, die die Gedenksteine für ihre verstorbenen Nachbarn finanzieren. Für Artus steht fest: „Für uns als Gesellschaft gibt es mit Blick auf die NS-Vergangenheit noch viel zu tun.“


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