Villa Lupi, drittes Puzzleteil: Die Rolle der städtischen Behörden
Seit fast drei Jahren wird die Villa Lupi am Heußweg 40 illegal von wechselnden Männergruppen bewohnt. Weder Eigentümer, noch Stadt oder Polizei sind in der Lage, etwas dagegen zu tun. Warum?
Von Christiane TauerEs war ein klarer Februarmorgen, als Arlette Andrae und Til Bernstein ihren Rettungsplan für die Villa Lupi vorstellten. Aus dem „Schandfleck“ mitten in Eimsbüttel wollten die Quartiersmanagerin der Osterstraße und der Vorsitzende des Vereins Osterstraße e.V. ein Zentrum für Stadtteilkultur machen.
Ein Jahr ist das her. Heute sagt Til Bernstein: „Ich glaube da nicht mehr dran, wir haben seit Wochen nichts gehört.“
Villa Lupi soll Kulturzentrum werden
Es wäre nicht das erste Mal, dass die zwei mit ihrem Vorhaben scheitern. Bereits 2020 wollten sie das damals leerstehende Gebäude in ein Kulturzentrum verwandeln. Musikveranstaltungen, Lesungen, Gesprächsrunden oder Ausstellungen sollte es in der Villa Lupi geben. Doch die Gespräche mit dem Eigentümer Matthias Haase kamen zum Erliegen, unter anderem wegen der geforderten Miethöhe.
Dass auch ihr zweiter Versuch aus dem Vorjahr höchstwahrscheinlich ins Leere laufen wird, passt ins Bild. Seit Jahren scheitern die unterschiedlichsten Beteiligten daran, in der Villa Lupi für geordnete Verhältnisse zu sorgen.
Konzept an Stadt geschickt
Dieses Mal hatten Arlette Andrae und Til Bernstein ihr Konzept nicht an Haase, sondern an die zuständigen Behörden der Stadt geschickt. Sie hatten gehofft, dass die Villa Lupi schon bald wieder in städtischen Besitz übergeht.
Tatsächlich hätte die Stadt den bis 2032 laufenden Erbbaurechtsvertrag mit Matthias Haase vorzeitig auflösen können. Doch dazu ist es bisher nicht gekommen, obwohl Haase seit Längerem dazu bereit wäre.
Erbbaurecht
Der Begriff „Erbbaurecht“ bedeutet „Eigenes Haus auf fremdem Grund“ – was im Falle der Villa Lupi heißt: Nicht nur Matthias Haase als sogenannter Erbbaurechtsnehmer und Besitzer des Hauses ist für die Immobilie zuständig, sondern auch die Stadt als Erbbaurechtsgeber und Besitzer des Grundstücks. Hinsichtlich des Grundstücks ist geregelt, dass es nach Ende des 1998 geschlossenen Erbbaurechtsvertrag dem Henry-Vahl-Park zugeschlagen und das Gebäude abgerissen wird.
Für Erbbaurechts-Grundstücke sind in Hamburg gleich drei Stellen zuständig: Die Finanzbehörde als oberste Behörde, der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) als untergeordnete Abteilung und das Immobilienunternehmen Wentzel Dr., das als Dienstleister die praktische Verwaltung übernimmt. Es gibt also drei Parteien, die in Entscheidungen involviert sind.
Warum das so ist, lässt sich nur im Gesamtzusammenhang erklären. So hatte die Eimsbütteler Bezirksversammlung im Juni vergangenen Jahres mehrheitlich für den Antrag der SPD-Fraktion gestimmt, aus der Villa Lupi ein Kulturzentrum zu machen. Also genau das, was Arlette Andrae und Til Bernstein realisieren wollen.
Um den Antrag umzusetzen, sollten sich der Vorsitzende der Bezirksversammlung sowie das Bezirksamt bei Finanzbehörde und LIG dafür starkmachen, dass das Erbbaurecht vorzeitig zurückgenommen und die Stadt alleinige Besitzerin der Immobilie wird.
Villa Lupi: LIG rät von Erbbaurechts-Rücknahme ab
Mehr als ein halbes Jahr später ist nichts dergleichen geschehen. „Der LIG hat dringend empfohlen, unter den aktuellen Bedingungen von einer Rücknahme des Erbbaurechts abzusehen“, sagt Imme Mäder, Pressesprecherin der Finanzbehörde, auf Anfrage.
Damit meint sie zum einen den Rechtsstreit zwischen Eigentümer und Mieter, der mit einem BGH-Urteil aus dem Januar 2024 jedoch geklärt sein dürfte. Zum anderen verweist sie darauf, dass das Erbbaurecht mit Grundschulden belastet ist. Konkrete Daten würde der Eigentümer aber verwehren. Nach Informationen der Eimsbütteler Nachrichten soll die Höhe bei rund 200.000 Euro liegen.
Stadt sieht bei sich keine Schuld
Was die offensichtlich „unhaltbaren Zustände“ im Gebäude und auf dem Grundstück angeht, würden Finanzbehörde und LIG alle in diesem Fall möglichen Regulierungs- und Sanktionsmöglichkeiten aktiv verfolgen, so die Pressesprecherin.
Von Beginn an sei auch das Bezirksamt Eimsbüttel über die Zustände informiert und aufgefordert worden, „alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um zusätzlich auch noch im Wege des Verwaltungshandelns tätig zu werden“.
Bezirksamt greift in bestimmten Fällen ein
Ist das geschehen? Die Eimsbütteler Nachrichten hatten bereits im Dezember 2022 beim Bezirksamt nachgefragt, welche Schritte das Amt etwa bezogen auf den Wohnraumschutz unternehmen könne. Dazu erklärte die Pressestelle damals, strenggenommen handele es sich bei der Villa Lupi nicht um schutzwürdigen Wohnraum im Sinne des Wohnraumschutzgesetzes. Aus dem einfachen Grund, dass sich das Gebäude in einer Grünanlage befinde.
Das Amt würde die Immobilie nur überprüfen, wenn mögliche Mieter zum Beispiel eine mangelhafte Wasserversorgung oder durchfeuchtete Wände beim Bezirksamt melden. Dass die Männergruppen, die ohne längerfristige oder gültige Aufenthaltstitel und ohne Mietvertrag in der Villa Lupi wohnen, das jemals tun werden, dürfte man bezweifeln.
Ist das Ergebnis zufriedenstellend?
Auf erneute Nachfrage im März 2024 stellt eine Pressesprecherin des Bezirksamts klar, dass sich zwar auch – wie in diesem Fall geschehen – Nachbarn melden könnten. Letztlich habe die Abteilung Wohnraumschutz an Ortsterminen teilgenommen, jedoch keinen Sachverhalt festgestellt, der dem Gesetz widersprechen würde.
Grundsätzlich, das betont sie, sei das Bezirksamt aber tätig geworden. Ob das bisherige Ergebnis zufriedenstellend sei, sei dabei eine andere Sache.
Villa Lupi: Stadt sieht Eigentümer in Verantwortung
Aus Sicht der Stadt gibt es nur eine Person, die für alle Umstände rund um die Villa Lupi verantwortlich sei: der Erbbaurechtsnehmer Matthias Haase. „Er besitzt als Eigentümer während der gesamten Dauer des Erbbaurechts die alleinige Eingriffsgewalt und Aufsichtspflicht“, sagt Finanzbehörde-Sprecherin Imme Mäder.
Zwar seien der LIG und Wentzel Dr. regelmäßig zu Ortsbegehungen an der Immobilie gewesen, das Gebäude selbst hätten sie aber nicht betreten können.
Besichtigung der Immobilie kam nicht zustande
Warum? Die Finanzbehörde sagt, Haase und sein Anwalt Joachim Kloos hätten sich aktiv einer Begehung der Villa Lupi widersetzt.
Dabei seien sie mehrfach telefonisch und schriftlich aufgefordert worden, eine Besichtigung bereits am 28. März 2023 zu gestatten und persönlich zu begleiten, um gemeinsam vor Ort über die unhaltbaren Zustände im Gebäude und auf dem gesamten Grundstück zu beraten, so Imme Mäder im Januar.
Wer kann Zutritt zur Villa Lupi gewähren?
Kloos wiederum erklärt: Haase könne gar keinen Zutritt zum Gebäude gewähren, dafür sei nach wie vor sein – eigentlich ehemaliger – Mieter S. zuständig. Als Grund führt Kloos an, dass S. eine ordnungsgemäße Übergabe der Immobilie schriftlich verweigert habe. Deshalb sei S. nach Ansicht von Kloos weiterhin Ansprechpartner für die Behörde, auch wenn der Anwalt von S. dem widerspricht und der Mietvertrag gerichtlich bestätigt als aufgelöst gilt.
„Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen“
Der Anwalt begründet auch, warum eine Begehung oder gar Räumung der Villa Lupi nach Haases Meinung nicht ohne Weiteres stattfinden sollte: „Dort sind Personen vor Ort, die wir nicht einschätzen können.“
Bereits im vergangenen Jahr hatte er durchblicken lassen, dass „eine Gefahr nicht von der Hand zu weisen ist“. Aus seiner Sicht sei das eine polizeiliche oder ordnungsrechtliche Angelegenheit.
Bauaufsicht soll Nutzungsuntersagung durchsetzen
In dieser Hinsicht ist der Eigentümer jetzt aktiv geworden: Er hat an das Bezirksamt Eimsbüttel geschrieben. „Die Untere Bauaufsichtsbehörde müsste gegenüber dem Hauptmieter eine Nutzungsuntersagung des Gebäudes durchsetzen“, sagt Kloos.
Mit Hauptmieter meint er den eigentlich ehemaligen Mieter S.. Denkbar sei etwa eine Versiegelung der Räumlichkeiten.
Bezirksamt: Warum wird er nicht selbst tätig?
Das Bezirksamt Eimsbüttel will davon nichts wissen und blendet offenbar auch die vom Eigentümer befürchtete Gefahrenlage aus. „Warum wird er nicht selber tätig?“, fragt die Pressesprecherin.
Aus Sicht der Bauaufsichtsbehörde sei alleine er verfügungsberechtigt über das Objekt und verantwortlich, dass es den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht. „Für eine bauaufsichtliche Nutzungsuntersagung fehlen unsererseits die rechtlichen Voraussetzungen.“
Eigentümer hofft auf Rücknahme des Erbbaurechts
Auf die Hilfe des Bezirksamts bei einer möglichen Räumung braucht Haase offenbar also nicht zu setzen. Bleiben noch Finanzbehörde beziehungsweise LIG und die Gespräche über die Rücknahme des Erbbaurechts.
Haase hofft, dass diese weitergehen werden – auch wenn es dort zuletzt ein „unschönes Signal“ seitens der Behörden gab, wie es Anwalt Kloos formuliert.
Zwei Mahnbescheide verschickt
Es wurden zwei Mahnbescheide über Vertragsstrafen hinsichtlich des Erbbaurechts verschickt, dabei ging es um die nicht-rechtskonforme Nutzung des Gebäudes. Beide Strafen beliefen sich auf jeweils rund 80.000 Euro.
Warum es zwei Mahnbescheide gab und einer an Haase, der andere an Kloos ging, ist für den Anwalt nicht ersichtlich. Auch fragt er sich, wie es zur festgesetzten Strafhöhe kam. „Beide Strafen zusammen dürften den Wert der Immobilie übersteigen“, sagt er.
Villa Lupi: „Befriedung steht an erster Stelle“
An Haases Wunsch, weiter über die Rückgabe des Erbbaurechts an die Stadt zu verhandeln, würden die Strafen jedoch nichts ändern, so der Anwalt.
Nach der Rückgabe würde sich seiner Meinung nach auch alles andere fügen: Die Villa Lupi könnte wie von der Bezirksversammlung gewünscht zu einem Kulturzentrum werden. Und die illegale Nutzung durch Männergruppen wäre auch beendet. „Die Befriedung der Villa Lupi steht an erster Stelle“, sagt Kloos.
Wenn es denn nur so einfach wäre.
Bevor die Villa Lupi ein Immobilien-Ärgernis wurde, war der ehemalige Straßenbahnbetriesbshof lange Jahre ein Kulturzentrum. Ein Überblick zur Historie.
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